Gewalt in der Pflege[zurück]
Gewalt in der Pflege ist immer noch ein großes Tabuthema in unserer Gesellschaft. Es ist schwierig, die Gewalt als solche aufzudecken, da die meisten Betroffenen sich schämen oder Angst haben. Außerdem suchen viele Betroffene die Schuld bei sich selbst und oftmals fehlen auch die Beweismittel.
Es stellt sich die Frage, wie definiert man in der Pflege und Betreuung von Menschen Gewalt und wie äußert sich diese? Es fängt nicht erst an, wenn Patienten erkennbar zu Schaden kommen, sondern wenn einer sagt: „Du bist krank. Du musst tun, was ich sage".
Gewalt wird aus Sicht des Opfers immer anders empfunden. Es gibt nicht nur die physische Gewalt, sondern auch die psychische und strukturelle Gewalt.
Gewaltarten aus Sicht des Patienten sind z. B.:
- Medizingabe ohne die Einwilligung des Patienten
- Fixierungen am Bett
- Zwangsernährung zu den Mahlzeiten
- Tätigkeiten werden abgenommen, die selbst ausgeführt werden könnten, nur weil es der Pflegekraft/ den Angehörigen nicht schnell genug geht
- Verletzung der Intimsphäre
- Beschimpfungen
- Missachtung von Wünschen und Bedürfnissen
- Heimunterbringung durch die Angehörigen ohne Zustimmung des Patienten
Gewaltarten aus Sicht der Pflegekraft sind z. B.:
- Sexuelle Belästigung durch die Pflegebedürftigen oder Angehörigen
- Beleidigungen und Mobbing
- Schläge
Gewaltarten aus Sicht der Angehörigen sind z. B.:
- Heimunterbringung als letzter Ausweg
- Schuldgefühle und das Gefühl, den Patienten im Stich zu lassen
- wenig Einfluss auf die Betreuung, in die Pflege kaum mit eingebunden
Bevor es überhaupt zur Gewalt kommt, gibt es bestimmte Faktoren, die sie auslösen:
Gewaltfördernde Faktoren von der Pflegekraft ausgehend:
- zu wenig Personal vorhanden → Zeitdruck
- Stress und Frust
- Leistungsdruck in der Pflege
- gestörtes Kommunikationsverhältnis
- Private Probleme
Gewaltfördernde Faktoren zwischen Pflegekraft und Patient:
- fehlendes Verständnis zwischen Beiden
- Provokation untereinander
- zu hohe Erwartungen untereinander
- Mißverständnisse
Gewaltfördernde Faktoren vom Patienten ausgehend:
- das Gefühl, von den Angehörigen abgeschoben zu werden
- Streß oder Streit mit den Angehörigen
- Verlust des gewohnten Umfeldes durch Umzug ins Heim
- Hilflosigkeit und Abhängigkeit
- Einsamkeit
- Gewalterfahrungen in der eigenen Lebensgeschichte
Gewaltfördernde Faktoren vom pflegenden Angehörigen ausgehend:
- Vereinsamung aufgrund der Pflege
- konfliktartige Beziehung oder familiäre Probleme
- Schlafdefizit
- unzureichende Kenntnisse vom Krankheitsbild
- Ekel
- finanzielle oder/und gesundheitliche Probleme
- Überlastung (Burn out)
- mangelndes Verständnis für die Situation des Patienten
Es gibt einige Lösungsmöglichkeiten, damit es erst gar nicht zu Aggressionen bzw. zur Gewalt kommt.
Das Wichtigste ist die Kommunikation.
Durch Gespräche kann man Konflikte lösen, Mißverständnisse aus dem Weg räumen und Kompromisse eingehen. Außerdem ist eine Vertrauensbasis sehr wichtig. Bei Konflikten unter den Pflegekräften -gerade im Pflegeheim- sollte man versuchen, durch neutrale Personen den Teamgeist zu stärken. Den Mitarbeitern sollten Rückzugsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Durch ausreichendes Personal wird Streß und Frust vermieden.
Die beste Vorbeugung gegen Gewalt ist eine professionelle Pflege, bei der die Bedürfnisse des Patienten im Vordergrund stehen. Pflegekräfte sollten den Patienten eine angenehme Umgebung schaffen bzw. erhalten und Verständnis für deren Situation zeigen.
Bei pflegenden Angehörigen ist es wichtig, dass sie nicht alleine sind, sondern ebenfalls eine Bezugsperson haben. Angehörigengruppen oder Selbsthilfekontakte dienen zum Erfahrungsaustausch. Außerdem sollten auch genügend Rückzugsmöglichkeiten vorhanden sein. Pflegende Angehörige müssen von Zeit zu Zeit auch einmal an sich denken.
Ambulante Pflegedienste, Tagesstätten und Kurzzeitpflege führen zum Beispiel zur Entlastung. Empfehlenswert sind auch Pflegekurse z. B. zum Umgang mit Demenzerkrankten, um den Pflegebedürftigen besser verstehen zu können. Auch sollten die Angehörigen eine persönliche Entlastungsstrategie für sich entwickeln, zum Beispiel sich selbst gelegentlich zu belohnen.